DenkanstÖsse

Manchmal ist es sinnvoll, etwas anders zu machen als gewohnt. Nicht immer führen die erprobten und langjährigen Vorgehensweisen zu einem bei genauerer Betrachtung vorteilhaften Ergebnis. Ich möchte Ihnen Anstösse geben, Dinge neu zu überdenken und das Herangehen an Aufgabenstellungen immer wieder neu zu hinterfragen. Dabei mag mancher Vorschlag oder manche These auf den ersten Blick vielleicht provokant oder sogar absurd erscheinen, aber auch nur auf den ersten Blick.

Jahresverhandlungen - Vorsicht vor falschen Zielsetzungen

Insbesondere in der Automobil-Zulieferindustrie begegnet man immer wieder folgender Situation: jährliche Verhandlungsrunden mit der Forderung eines OEM zur Reduzierung der Preise in Höhe von - nehmen wir an - 5% des Gesamtumsatzes. Viele Zulieferer empfinden es als Erfolg, wenn sie in den Verhandlungen zum Beispiel die geforderten 5% auf 3% drücken können und gewähren dann diese 3% pauschal auf alle Produkte.


Deren Zielsetzung ist es, den Kunden von 5% möglichst weit herunter zu handeln, d.h. weniger Prozente zu geben als der Kunde fordert.
Diese Zielsetzung ist aber falsch. Das eigentliche Ziel des Lieferanten sollte vielmehr sein, dem Kunden im Zeitraum, auf welchen sich das Verhandlungsergebnis auswirkt, einen möglichst geringen Absolutbetrag zuzugestehen.

 

Der Fehler ist also ein doppelter Fehler. Die Fixierung auf Prozente statt auf absolute Zahlen und - eng damit verbunden - das Außerachtlassen der Zeitachse.

 

Das Denken in Prozentwerten verleitet dazu, vorschnell und ohne weitere Prüfung eine Entscheidung zu treffen. Das Herunterhandeln einer Kundenforderung von 5% auf 3% ist auf den ersten Blick vielleicht durchaus ein Erfolg, bei näherer Betrachtung aber vielfach auch das Gegenteil.
Das Wissen um den Absolutbetrag ist immer von Vorteil, besonders dann, wenn man ihn fundiert errechnet statt nur grob abzuschätzen.
Warum? Weil man beim bloßen Schätzen die Chance vergibt, den zweiten, wesentlichen Fehler zu vermeiden...

 

Der zweite Fehler ist die Nichtberücksichtigung der Zeitachse. Preissenkungen, die einmal vorgenommen werden, wirken sich in aller Regel auch auf die Zukunft aus. Wenn Sie bei einem jährlichen Umsatzvolumen von 10 Mio. € in der eingangs beschriebenen Verhandlungssituation ein Zugeständnis von 3 % machen, ist der Schaden nicht auf die 300.000 € im Folgejahr beschränkt - die Erlöse werden so lange, wie Sie die Produkte oder Leistungen an den Kunden liefern, entsprechend vermindert. Einmal im Rahmen von Jahresverhandlungen gewährte prozentuale Nachlässe gelten schließlich regelmäßig nicht nur für das Folgejahr.

 

Wie sieht eine Lösung aus? Eigentlich liegt die Lösung auf der Hand. Vorausgesetzt, Sie können abschätzen, welche Produkte oder Leistungen Sie  noch wie lange in welchen Mengen an den Kunden liefern werden (was im Falle der Zulieferindustrie durchaus vielfach zutrifft), kann eine gezielte "überproportionale" Reduzierung der Produkte vorgenommen werden, deren Restlaufzeit am kürzesten ist. Der Schaden bleibt dann auf eine kurze Zeit eingegrenzt. Ergänzend dazu bieten sich - ebenfalls unter der Voraussetzung einer gewissen Planungssicherheit - auch Einmalzahlungen an, zum Beispiel durch das Gegenrechnen mit offenen Forderungen an den Kunden.

 

Eigentlich eine Lösung, die auf der Hand liegt. Aber leider dennoch zu oft außer Acht gelassen wird. Und auch eine Lösung, die realisierbar ist, wie eigene Erfahrungen zeigen. Der Mehraufwand beim "Durchspielen" verschiedener Verhandlungsszenarien zahlt sich sehr schnell aus. Und im Ergebnis sind geschickt  verteilte "5%" eventuell sogar günstiger als pauschale 3%.